Globaler Öko-Bankrott zwingt zum Handeln: Umweltstiftung NatureLife beklagt Versagen der Staatengemeinschaft in Sachen Artenschutz

Die Rückkehr der scheuen Wildkatzen in naturnahe Wälder Deutschlands ist eine Erfolgsgeschichte des jüngeren Naturschutzes. Doch für viele früher häufige Tierarten sieht es düster aus. Mehr als die Hälfte der Tier- und Pflanzenarten auf der Welt ist gefährdet oder vom Aussterben bedroht.

Foto©Limbrunner

Handeln statt Reden gefordert – Menschen sollen mehr in Schutzprojekte einbezogen werden


Buchreport schlägt Alarm – Bisherige Artenschutzprogramme verfehlen die Ziele zur Bewahrung der Biologischen Vielfalt

Stuttgart/Sharm el Sheikh. „Wir haben weltweit binnen 50 Jahren die Schöpfung quasi halbiert und mehr Arten an den Rand der Ausrottung gedrängt als dies in 50.000 Jahren zuvor der Fall war. Doch es wird weiter gewurstelt als gebe es keinen globalen Weltökocrash“, kritisierte die Umweltstiftung NatureLife-International anlässlich der vom 17. – 29.11.2018 im ägyptischen Sharm el Sheikh stattfindenden 14. Artenschutzkonferenz (COP 14-CBD - Convention on Biological Diversity). „Wie sollen die Menschen in armen Ländern motiviert werden Elefanten oder Löwen in Afrika, Orang Utans und Amurtiger in Asien oder Jaguar und Hyazintharas zu schützen, wenn wir im reichen Deutschland nicht einmal in der Lage sind, Erdhummel und Mehlschwalbe ausreichend zu schützen“, sagt Claus-Peter Hutter, Präsident der Umweltstiftung NatureLife und Mitautor des Buchreports „Das Verstummen der Natur“. Unter dem Druck etlicher jüngerer Studien zum Insekten- und Artensterben habe Bundesumweltministerin Svenja Schulze ein 100 Millionen Euro schweres Rettungsprogramm vorgeschlagen, vorwiegend zur Finanzierung von Forschung und Monitoring. „Dieses Programm ist nicht zielführend um den ökologischen Staatsbankrott abzuwenden, denn solchen „Ablenkungsforschungen“ stehen Milliarden fehlgeleiteter Agrarsubventionen in Deutschland wie auf EU-Ebene gegenüber“, so Claus-Peter Hutter.
„Wer so lange forscht, bis keine Insekten mehr vorhanden sind, hat den Ernst der Lage nicht erkannt“, so Hutter weiter. Dabei sei eine der wesentlichen Ursachen seit langem erkannt: Die durchindustrialisierte Landwirtschaft. Alle Bemühungen der EU, die Agrarwirtschaft ‚grüner‘ zu gestalten, sind weitgehend ins Leere gelaufen. Noch immer werden Subventionen nach Größe der Flächen bzw. Größe der Viehbestände bezahlt. Das Ausnehmen kleiner Grünstreifen an den Feldrändern sei nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein, bemängelt Hutter.

Neuer Vertrag zwischen Bauern und Gesellschaft erforderlich

„Deshalb brauchen wir einen neuen ‚Vertrag‘ zwischen den Bauern und der Gesellschaft“, sagt Volker Angres, Mitautor des Buchreports und Leiter der ZDF-Umweltredaktion. Landwirte wollen wie alle anderen Berufstätigen auch ein gesichertes Einkommen. Wenn ein erheblich größerer Teil davon künftig für Leistungen bezahlt wird, welche der Natur und dem Artenschutz zugutekommen, werden die allermeisten Landwirte nichts dagegen haben, davon ist Angres überzeugt. „Doch alle Bemühungen in Brüssel, die gemeinsame europäische Agrarpolitik entsprechend auszurichten, sind bisher am Widerstand der konservativen Bauernverbände gescheitert“, so Angres.
Hutter und Angres sehen die Bundesregierung in der Pflicht. Die Politik müsse sich endlich aus den Fangarmen der diversen Lobby-Kraken befreien und auch weltweit endlich eine Vorreiterrolle einnehmen, meinen die Autoren übereinstimmend. Nur eine an fachlichen Erkenntnissen orientierte Politik mit klaren Ansagen, Fristsetzungen und strafbewehrten Sanktionen kann die notwendigen Korrekturen herbeiführen und das völlige Verstummen der Natur aufhalten.
Damit stehen Angres und Hutter nicht allein. Ausgerechnet auch die beiden Fachbeiräte des Bundesagrarministeriums sehen ähnlichen akuten Handlungsbedarf: Die Honorierung von biologischer Vielfalt, Tierwohl, Umwelt- und Klimaschutz statt Subventionen mit der Gießkanne sei dringend erforderlich, so die beiden Beiräte (Wissenschaftlicher Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz/Wissenschaftlicher Beirat für Biodiversität und genetische Ressourcen) in einer gemeinsamen Presseerklärung (4. Juni 2018).

      „Jeder Tag, an dem nichts geschieht, um dem Verstummen der Natur Einhalt zu gebieten,
        ist ein verlorener Tag“, so Angres und Hutter im Hinblick auf die Weltartenkonferenz.

Sie fordern zugleich beim internationalen Artenschutz mehr als bislang die lokale und regionale Bevölkerung in Schutzprojekte einzubeziehen. „Nur wenn die Menschen auch Vorteile für sich sehen, bringen sie Akzeptanz auf“, meinen Claus-Peter Hutter und Volker Angres und warnen vor falsch verstandener Öko-Romantik aus europäischer Sicht.

„Das Verstummen der Natur – Das unheimliche Verschwinden
der Insekten, Vögel, Pflanzen – und wie wir es noch aufhalten können“
Ludwig Verlag (Random House), 336 Seiten, € 20, –
ISBN 978-3-453-28109-7.

Die dramatischen Folgen des Artensterbens
Das Bienensterben: längst zur Megaschlagzeile in den Medien geworden, und es wird viel diskutiert. Doch was steckt dahinter? Über Nacht jedenfalls ist der dramatische Verlust der Wildbienen, Schmetterlinge sowie vieler anderer Insekten und Wildtiere nicht gekommen. Volker Angres, Leiter der ZDF-Umweltredaktion, und Claus-Peter Hutter, Präsident von NatureLife-International, weisen nach, dass bereits in den 1980er Jahren vor dem Verstummen der Natur gewarnt wurde. Alarmzeichen gab es schon damals. Nur: Es wollte niemand wissen, auch „die Politik“ nicht. Warum nur? Um den ökologischen Staatsbankrott zu vertuschen? Um der Bauern-Lobby gefällig zu sein? Die Autoren liefern eine intensive Spurensuche, die bei den Taten beginnt und bei den Tätern endet.